Neben den bisher in der Literatur inzwischen gut ausgearbeiteten, betont technologischen und betriebswirtschaftlichen Rollenanforderungen eines CDO, wird in diesem Beitrag ein Plädoyer für seine psychosozialen Fähigkeiten gehalten.

Im Anschluss an den Beitrag „Führung in der digitalen Transformation“ in der Reihe Digitale Transformation gilt es eine Führungsposition, die des CDO (Chief Digital Officer), genauer zu betrachten.

Durchsuche ich, ein Digital Immigrant, das Netz nach diesem Schlagwort, so bin ich erstmals sehr überrascht über die vielen wirklich fundierten Artikel, Untersuchungen, Statistiken und Interviews (mit reellen CDO´s!) zu dieser Thematik (vgl. hierzu: The 2015 chief digital officer. PwC; auch The rise of the Chief Digital Officer. Deloitte. Digital)

Kurzum und auszugsweise, welche Aufgaben und Kompetenzen dieser neuen Führungsposition zugeschrieben werden:

M. Caccavale fasst hierzu prägnant zusammen: „A chief digital officer CDO) is responsible, at a high level, for driving growth by transforming analog business into digital business“ (Michael Caccavale. The dangerous trap oft the Chief Digital Officer)

Nichtsdestotrotz fehlt mir die signifikante Beachtung des psychosozialen Momentes bei der Rollen- und Kompetenzbeschreibung. Zwar werden immer wieder Merkmale, wie Sensibilität und Offenheit einerseits, und Aufgaben wie Moderator, Mediator, Change Manager andererseits, gebracht – greifen mir jedoch hinsichtlich der mit der Implementierung eines CDO initiierten Bewahrung bzw. Optimierung des Geschäftserfolges zu kurz.

In solchen Transformationsprozessen, hier ausgelöst durch technologische Entwicklungen, müssen doch zuvörderst die Menschen dafür gewonnen und fit gemacht werden. Gilt es doch diese dort abzuholen, wo sie stehen – egal ob Digital Native oder Digital Immigrant – d.h. mit ihren Ängsten, Widerständen, Bedürfnissen bis hin zu den (zumeist berechtigten) ungeduldigen Forderungen der Digital Natives zu arbeiten. Aspekte der Organisationsentwicklung und Sozialpsychologie müssen in solchen Veränderungsprozessen berücksichtigt werden – von der Teamebene bis hinauf zur Unternehmensebene, von den sich nun gänzlich neu entwickelnden Kommunikations-Optionen mit den Kunden bis hin zu bisher nicht einmal zu erahnenden Kollaborationsmöglichkeiten mit den Partnern bzw. Zulieferern.

Ebenso ist eine passgenaue Ausbildung und Personalentwicklung sowohl in den technischen wie auch in den damit verbunden neuen Anforderungen in der Arbeitsmethodik, der Kommunikation und der Kooperation pädagogisch professionell zu etablieren; auch wird zukünftig noch mehr das Diversity Management in den Vordergrund rücken: große Altersspannen mit sowohl heterogenem Bildungsstand als auch heterogener Sozialkompetenz sowie Menschen unterschiedlicher sozialer und ethnischer Herkunft mit diversen Wertesystemen sind im Arbeitsalltag zu führen und in Transformationsvorgängen adäquat zu begleiten – und das ist eine fordernde psychologische wie soziale/interkulturelle Aufgabe!

Was helfen uns die besten technologischen, digitalen Arbeitsmittel, wenn diese nicht alle MitarbeiterInnen benutzen wollen oder können?

Welches Durcheinander, welche Verärgerungen, welche „Spielchen“ und welche Schäden entstehen, wenn im Unternehmen mit unterschiedlichen technologischen Lösungen gearbeitet wird; die MitarbeiterInnen oder gar ganze Organisationseinheiten den praktischen Nutzen der neuen digitalen Werkzeuge für eine noch effizientere Arbeit nicht kennen?

Leider wird sehr oft der Fehler gemacht, zu kurz oder nur teilweise die o.g. psychosozialen Faktoren (Beziehungsebene; das WIE) zu betrachten und zu bearbeiten; zu schnell wird in die fachlichen Themen (Inhalts-/Sachebene; das WAS) gewechselt oder gleich mit diesen durchgestartet – und die Menschen mit ihren Gefühlen und Beziehungen bleiben außen vor. Daher scheitern viele kleine und große Projekte, viele kleine und große Transformationen, obwohl sie ja letztendlich für die Betroffenen von Nutzen wären.

Fazit: Der Faktor Mensch und die damit verbundenen internen und externen Beziehungen im Unternehmen sind das kritische Erfolgselement – so lapidar und abgedroschen es auch klingen mag – für jegliche Wandlungs- und Veränderungsprozesse in Organisationen, erst recht bei solch einem revolutionären wie der digitalen Transformation. Der Homo Digitalis wird nicht geboren!
Folglich muss in der vielgestaltigen Position des CDO der psychosozialen Kompetenz, nicht nur durch ein paar Schlagwörter, nachhaltig mehr Beachtung geschenkt werden – ja es gilt sie zu vitalisieren. Er muss die wichtigsten Modelle des Menschen kennen und über ausreichende Erfahrungen in der Organisationsentwicklung bzw. Sozialpsychologie verfügen. Kann er dieses Repertoire nicht sicher aufweisen, muss er im noch engeren Schulterschluss mit der hauseigenen Personal-/Organisationsentwicklung zusammenarbeiten. Fehlt diese, muss er sich externe Unterstützung einholen.

Nur im fein abgestimmten Dreiklang von fundierter Erfahrung und Wissen in Technologie, Management und Menschenführung lassen sich die mannigfaltigen Aufgaben und Anforderungen an diese sich neu herauskristallisierende, bald unersetzliche, Funktion erfüllen.

Ein zweites Momentum ist noch im Zusammenhang mit der Rolle des CDO kurz anzusprechen: Die Aufgaben und das Dasein dieser Führungskraft für das Digitale ist nicht mit der – fälschlicherweise vermuteten – „erfolgreich abgeschlossenen“ Transformation der jeweiligen Organisation beendet – was in einigen Beiträgen implizit zum Ausdruck kommt. Ganz im Gegenteil. Wir leben in einer sich permanent ändernden technologischen und sozialen Welt. Der stetige Wandel, mal revolutionären, mal evolutionären Charakters, in Unternehmen und Organisationen ist und bleibt der Normalfall. Er wird über ein noch nicht abzuschätzendes Zeitintervall von der Digitalisierung geformt werden. So wird der Chief Digital Officer zu einer stetigen, unabdingbaren und exponierten Position und Funktion, ob in größeren Unternehmungen mit eigenem Stab oder in Kleinstunternehmen in Zweitfunktion. Zumal die IT/Digitalisierung auch inzwischen den Status eines Business Drivers einnimmt; für manche Organisationen schlechthin den primären Geschäftstreiber darstellt.

Mit „Ein Mensch, der erkannt hat, wie sehr sein eigenes Schicksal vom Schicksal der gesamten Gruppe abhängt, wird gerne einen angemessenen Teil der Verantwortung für ihr Wohlergehen übernehmen“ von Kurt Lewin (1890-1947) und dem Aufruf die Menschen nicht zu vergessen, schließe ich die Gedanken zur Rolle und Verortung des CDO hier ab.

Ausblick: Im nächsten Beitrag werde ich die Auswirkungen der digitalen Transformation auf das vertriebliche Vorgehen im IT-Business beleuchten und dabei einen neuen Ansatz für den Vertriebsprozess aus den USA vorstellen.

Weblinks

http://www.handelsblatt.com/unternehmen/management/chief-digital-officer-wo-sind-die-digitalen-haeuptlinge/11909930.html

http://www.wuv.de/karriere_job/ein_chief_digital_officer_ist_zu_wenig

http://www.gruenderszene.de/allgemein/chief-digital-officer-fachbeitrag

http://www.cio.de/a/was-macht-ein-chief-digital-officer,3067798

https://chief.digital/